Trendprognosen für die Nachrichtenveröffentlichung – 2022

By Josephine Wyrtz Andersen | Jan 12 2022 | Insights | Technology | Media

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Was sind die größten Chancen, die das Jahr 2022 den Nachrichtenverlagen bieten wird – und wie können Sie daraus Kapital schlagen? Wir haben einige der wichtigsten Trendprognosen für das neue Jahr für Sie zusammengefasst, die von den wichtigsten Playern in der Nachrichtenverlagsbranche stammen.

 

Faktenbasierter Journalismus als kommerzielle Chance

Eine immer präsente Herausforderung für die Nachrichtenverlage von heute war das schwindende Vertrauen der Verbraucher in die Medien. Vertrauen und wie man es wiederherstellen kann, steht seit langem auf der Tagesordnung, aber wo viele Nachrichtenverlage das Problem mit dem rückläufigen Vertrauen zuvor als Bedrohung sahen, hat sich das Blatt gewendet, und Vertrauen wird zunehmend als kommerzielle Chancewahrgenommen.

Unter anderem weist Alessandra Galloni, Chefredakteurin von Reuters, auf Folgendes hin:

„Da Politik und Gesellschaft zunehmend polarisiert und meinungsstark werden, entstehen enorme Chance für Verlage, die unparteiische und unvoreingenommene Nachrichten anbieten. Die Präsentation von rigoros faktengeprüftem, faktenbasiertem Journalismus ist eine kommerzielle Gelegenheit.“

In den letzten Jahren, zur Zeiten der Pandemie, haben die Verbraucher langsam, aber sicher begonnen, das Vertrauen in traditionelle Nachrichtenverlage wieder aufzubauen. Im Zeitalter der Desinformation befürchten Verbraucher zunehmend, falsch informiert zu werden – insbesondere über allseits präsente Themen wie die COVID-19-Pandemie.  Damit hat sich eine kommerzielle Chance für Verlage ergeben, die eine faktenbasierte und objektive Berichterstattung sicherstellen können.

Ähnliche Vorhersagen werden von Julia Angwin, Gründerin und Chefredakteurin von The Markup und Izabella Kaminska, Redakteurin des Alphaville-Blogs der Financial Times gemacht.  In ihrem Bericht: In Tools in the Battle for trust, am 30. November 2021 veröffentlicht, befasst sich auch WAN IFRA mit dem Thema und enthält Ratschläge von führenden Experten in dem Bereich sowie konkrete Instrumente, wie das Vertrauen in den Journalismus wiederhergestellt werden kann.

 

Der Wert von Zielgruppeneinblicken und KI steigt

Zielgruppendaten sind mittlerweile schon gang und gäbe. Nichtsdestotrotz stellen sie ein großartiges Werkzeug für Nachrichtenverlage dar, um ihre Leser noch besser kennenzulernen – und folglich auch ein Bereich, der im Jahr 2022 voraussichtlich weiter an Relevanz gewinnen wird.

Victori Newton, Chefredakteurin von The Sun weist darauf hin, dass sie im Jahr 2021 auf der Basis journalistischer Fertigkeiten und der Verwendung von Zielgruppendaten große Erfolge erzielt haben. Sie prognostiziert, dass die Zielgruppendaten im Jahr 2022 weiter an Bedeutung gewinnen werden, da sie einfach ein unschätzbares Werkzeug sind, um Nachrichtenverlagen zu helfen, die Bedürfnisse ihrer Leser besser zu bedienen. Adam Cole, argumentiert weiter, dass die Fähigkeit von Nachrichtenverlagen, First-Party-Daten zu sammeln, in Zukunft nur noch wertvoller wird, da wir einer cookielosen Zukunft immer näher kommen.

Andere meinen jedoch, dass Zielgruppendaten in Kombination mit KI – künstlicher Intelligenz – im Jahr 2022 noch weiter an Bedeutung gewinnen werden. Kris Barton, Chief Product Officer bei Gannett ist einer von ihnen, und laut der Umfrage des Reuters Institute unter 246 Medienmanagern und der Umfrage von WAN IFRAunter 160 Medienmanagern ist er ganz klar nicht allein mit dieser Position. Verleger planen im Allgemeinen, ihre Investitionen in KI in den nächsten Jahren zu erhöhen. Der Einsatz von KI für Prognosen zur Abwanderungs- und Konversionswahrscheinlichkeit wird für Nachrichtenverlage als sehr wichtig angesehen, während 77 % der Befragten von WAN IFRA KI-Tools als wichtig oder sehr wichtig für ihren gesamten Geschäftserfolg im Jahr 2022 und darüber hinaus bewerten.

Schließlich gibt es auch noch diejenigen, die wie Francesco Zaffarano, Chefredakteur von Will Media, vorhersagen, dass 2022 das Jahr sein wird, in dem quantitative Daten allein nicht mehr ausreichen werden. Stattdessen sollten Nachrichtenverlage anfangen, ihre Zielgruppe zu fragen, was sie von ihren Nachrichtenverlagen brauchen. Durch die Verwendung quantitativer Zielgruppendaten erhalten Nachrichtenverlage in erster Linie die Möglichkeit, ihre aktuelle Zielgruppe zufrieden zu stellen. Wenn sie dieses Wissen in Kombination mit qualitativen Zielgruppendaten nutzen, kann ein größeres und interessierteres Publikum aufgebaut werden.

 

Audio als Instrument zum Aufbau von Publikumsbeziehungen

Ein Schlüsselwort des Jahres 2022 ist offenbar auch „Aufbau von Publikumsbeziehungen“. Einige, wie Nicolas Carlson, Global Editor-in-Chief bei Insider, argumentieren sogar, dass sich die größte Chance des Jahres 2022 im Vergleich zu den Vorgängerjahren nicht geändert hat: „Herausfinden, was Leser und Zuschauer wissen wollen, und sie dafür anzuspornen.“

Nach der Mehrheit der Umfrageteilnehmer des Reuters Institute scheinen Audioinhalte eines der prognostizierten Instrumente zu sein, um im Jahr 2022 starke Publikumsbeziehungen zu generieren, da Audioinhalte verbesserte Möglichkeiten für die Interaktion und den Umsatz durch das Publikum bieten als beispielsweise Text- oder Videoformate.

Der wachsende Konsum von digitalen Audioinhalten ist bereits seit einigen Jahren ein Trend, aber allein im letzten Jahr ist eine viel umfassendere Palette an Audioformaten entstanden, wie Audiobriefings, Audioartikel und Audiomitteilungen. In Sachen zielgruppenorientierte Innovationen plant die Mehrheit der Medienmanager – 80 % – im Jahr 2022 weitere Investitionen in Podcasts und andere digitale Audioinhalte.

Der Schlüssel zum Umsatzwachstum mittels Audio steckt wahrscheinlich im Anerkennen der Fähigkeit dieses Mediums, das Interesse des Publikums zu generieren. Laut Eric Nuzum, Mitbegründer von Magnificent Noise, werden diejenigen, die im Jahr 2022 erfolgreiche Podcast-Anbieter werden, auch diejenigen sein, die sich in erster Linie darauf konzentrieren, Podcasting zu nutzen, um Publikumsbeziehungen und -interesse zu schaffen und zu vertiefen. Mit anderen Worten: eine direkte Umsatzsteigerung mit Audio vom ersten Tag an ist unwahrscheinlich – da braucht es mehr. Stattdessen muss man Podcasting-Anstrengungen vorantreiben, die das Interesse des Publikums fördern und damit eine nachhaltige Umsatzgenerierung sicherstellen. Joni Deutsch, Vizepräsident für Podcast-Marketing und Publikumsentwicklung bei Podglomerate stimmt dem zu. Aufgrund der steigenden Anzahl an Podcast-Angeboten ist es wichtiger denn je, sich auf den Aspekt des Beziehungsaufbaus von Podcasts zu konzentrieren, um mit der Strategie erfolgreich zu sein. Daher sollten Nachrichtenverlage im Jahr 2022 alles daransetzen, einen neuen Ansatz für Podcasting zu priorisieren, der eine authentische Beziehung zu den Zuhörern schafft und das Publikum auf der richtigen Ebene anspricht.

 

Finite und direkte Formen von Nachrichten – gegen das Durcheinander

Es ist nicht nur das Zeitalter der Desinformation, es ist auch das Zeitalter des Informationsüberflusses. Es herrscht ein florierender Wettbewerb um die Aufmerksamkeit der Verbraucher, und jeder, der etwas sagen möchte, kann das tun. In der jüngsten Umfrage von Press Gazette haben führende Verlage große Erwartungen an Direct-to-Consumer-Nachrichtenformulare als Instrument für Nachrichtenverlage, um das Durcheinander zu beseitigen und ihre Zielgruppen mit einer klaren Message zu erreichen.

2022 hat Katherine Bell, Chefredakteurin bei Quartz, besonders hohe Erwartungen an E-Mail-Newsletter. Die Leser sind von dem Nachrichtenstrom in den digitalen Medien überfordert. Mit ihrem E-Mail-Newsletter Essentials, der 2021 zum ersten Mal versandt wurde, fasst Quartz wichtige Ereignisse zusammen und schickt sie direkt in die Posteingänge der Abonnenten.

„...wir haben den Kern unserer Mitgliedschaft auf E-Mail umgestellt, mit vier wöchentlichen E-Mails, die zusammen das Beste aus unserer Analyse zusammenfassen und teilweise den Charakter eines prägnanten wöchentlichen Newsletters haben. Wir werden auf diesen Projekten aufbauen und 2022 neue Experimente im Bereich Zusammenfassung und Kuratieren testen“, erklärt sie.

Andere Mittel, um das Durcheinander zu beseitigen und den Lesern Ihre Inhalte auf einem Silbertablett zu servieren, sind die allseits beliebten Messaging-Apps. Die Nutzung von Messaging-Apps übertrifft die der traditionellen sozialen Medien, da die Verbraucher zunehmend nach privateren Kommunikationswegen suchen. Tom Trewinnard, COO und Mitbegründer von Fathm, glaubt, dass die Nutzung von Messaging-Apps wie WhatsApp und Facebook Messenger den Nachrichtenverlagen die Möglichkeit gibt, direktere Beziehungen zu ihren Lesern aufzubauen. Darüber hinaus haben Messaging-Apps das Potenzial, höhere Öffnungsraten als herkömmliche soziale Medien zu erzielen, da sie nicht durch Algorithmen reguliert werden. Mit anderen Worten:

„Die Nachrichten und Inhalte werden zum Produkt, nicht zur Technologie, über die darauf zugegriffen wird“, erklärt Tom Trewinnard.

Egal, ob es sich um Nachrichten handelt, die per E-Mail oder Messaging-Apps gesendet werden – sie haben einen weiteren gemeinsamen Nenner: sie sind finite Formen von Nachrichten, fast so, wie wir sie aus traditionellen gedruckten Zeitungen kennen. Tamar Charney prognostiziert, dass das ein vorherrschender Trend und eine vorherrschende Präferenz der Verbraucher im Jahr 2022 sein wird, und argumentiert:

„Tägliche Nachrichten, Podcasts und Newsletter sind eine wachsende Art und Weise, wie Menschen ihre Nachrichten erhalten. Die meisten täglichen Nachrichten-Podcasts sind relativ kurz, was bedeutet, dass man in 10, 20 oder vielleicht 30 Minuten mit dem Gefühl, ziemlich gut informiert zu sein, den Podcast abschließt. Newsletter geben einem auch das Gefühl von ‚Okay, ich bin auf dem Laufenden‘, sodass man die eigene Aufmerksamkeit auf etwas anderes richten kann.

Ich gehe davon aus, dass sich dieser Trend weiter durchsetzt. Die Menschen reagieren auf die letzten Jahre überwältigender Nachrichten mit Self-Care – und oft bedeutet das, sich dem Doomscrolling abzuwenden.“

Hungrig nach mehr Informationen zu den Trends und Chancen der Nachrichtenveröffentlichung des Jahres 2022? Dann empfehlen wir Ihnen wärmstens, die vollständigen Listen der Prognosen von NiemanLabReuters Institute und Press Gazette zu lesen, die von wichtigen Playern der internationalen Zeitungsbranche erstellt wurden.


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