Ist der App-Boom schon vorbei?

By Thomas Wittenburg | Aug 16 2016 | Insights | Technology | Media

Vor ein paar Wochen habe ich eine Geschichte über die Stagnation des App-Marktes gelesen.

Eine unangenehme Lektüre für einen Mann, der gerade bei einem Unternehmen unterschrieben hat, das davon lebt, Apps zu entwickelt und an Medien auf der ganzen Welt zu verkaufen. Und wahrscheinlich auch eine unangenehme Lektüre für die Kunden, die unsere Produkte kaufen.

Das setzt natürlich die Gedanken in Gang. Was bedeutet die Entwicklung für uns als Lieferant? Und für unsere Kunden? Ich habe versucht mich nach der Geschichte ein wenig in Zahlen und Trends vertieft.

Eine schnelle Analyse der verfügbaren Daten von SensorTower/Nomura Research, zeigt einige interessante Ergebnisse, wenn man diese mit Wissen aus anderen Teilen der Branche kombinieren. Vielleicht ist die Entwicklung gar nicht so überraschend.

Die amerikanische Consumer Technology Association hat im Jahr 2014 geschätzt, dass die durchschnittliche Lebensdauer von Smartphones 4,7 Jahren beträgt. Der Trend auf dem Computermarkt ist auch deutlich. Computer und Handys haben heute eine längere Lebensdauer als noch vor 15 Jahren.

Es gibt mehrere Gründe dafür, dass wir heute einen verminderten ausstach der verschiedenen Hardwaretypen sehen. Ein großer Teil der Erklärung, sind die sich verändernden Nutzungsmuster und eine allgemeine Abflachung der Innovationskurve im Hardwarebereich. Alleine die Tatsache, dass 85% der Dänen heute ein Smartphone haben, bedeutet, dass das Volumen der abenteuerlichen Neueinsteiger im App Store und bei Google Play, historisch niedrig ist.

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 Die Hardware-Innovation stagniert

Im Jahr 2000 kamen die ersten Handy mit Farbdisplay (Siemens waren die ersten mit dem S10 in '98, aber die erste wirklich populären, so wie das SonyEricsson T68, kamen zum Jahresende 2001). Kurze Zeit danach kamen die ersten mit eingebauter Kamera. Im laufe von 2001 bis 2007 kamen mehr und mehr Funktionen, bis der Markt im Zuge des ersten iPhone und der Einführung der Apps dann völlig implodierte.

Plötzlich waren neuen Funktionen nicht mehr exklusiv mit einer neuen Hardware verbunden. Das Telefon ist ab diesem Zeitpunkt ein Portal für Inhalte und Funktionen, die hauptsächlich über das Internet geliefert werden.  Die Menschen laden hunderte von Apps herunter. Auf einmal brauchte man neue Kamera-Filter, Angry Birds, GPS und die bevorzugten Nachrichtenquellen.

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Mit dem nächsten Smartphone wurden die Nutzer ein wenig weniger abenteuerlich. Man hatte alle die witzigen, aber unbrauchbaren Apps und nach und nach auch feste Nutzungsmuster. Heute sind viele Smartphones fast so Leistungsstark wie ein durchschnittlicher Computer. Das Internet ist überall, und wenn man von den laufenden kleinen Designänderungen absieht, ändert sich nicht viel zwischen den Smartphone Generationen. Die Entwicklung fällt in Tempo, und so auch die Austauschfrequenz.

Daher ist es nicht verwunderlich, dass Smartphone-Nutzer weniger Apps herunterladen.

Der Markt ist gesättigt

Die Benutzer haben zu einem großen Teil die Apps, die sie benötigen. Das als solches ist für Zeitungen und Medienanbieter mit bereits existierenden Abonnenten kein Problem. Dagegen kann es schwierig werden für neue Medien, eine große Anzahl an Abonnenten zu gewinnen. Derzeit sind es ausschließlich Apps mit starker Medienexposition, wie Uber und Snap Chat, die den schweren Weg auf die Bildschirme der Benutzer schaffen.

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Zur gleichen Zeit wird die Entwicklungslast der sogenannten „nativen Apps“ geringer, im Takt mit der zunehmenden Bereitstellung von Inhalten über das mobile Internet. Mehr erfolgt direkt im Browser, viele Updates werden heute serverseitig ausgeführt, das bedeutet, dass Funktionen und Bugfixes ohne Aktualisierung der App übernommen werden können.

Plattformunabhängigkeit dominiert

Das Spektrum der Geräte wird immer größer und die Benutzer nutzen nicht exklusiv einzelne Plattformen. Einige Benutzer haben vielleicht ein iPhone, ein Android-Tablet und einen Computer mit Windows 10. Daher gibt es höhere Anforderungen an die Plattform Kompatibilität. Services und Dienstleistungen müssen heute problemlos auf dem Computer, Smartphone und Tablet verwendet werden können.

Die Anzahl der Plattform abhängigen Dienste und Apps, die den durchschnittlichen Benutzer täglich beeinflussen, wird deswegen weniger. Gleichzeitig werden viele Dienstleistungen, sowie die Benutzerfreundlichkeit in Bezug auf den mobilen Web-Services erhöht.

Als App-Entwickler sind wir gezwungen, mit Web-Lösungen und nahtloser Integration zwischen allen Plattformen zu arbeiten. Das bedeutet, dass in Zukunft mehr Teile vom Code serverseitig integriert werden. Teilweise um Entwicklungszeit zu sparen und um Stabilität zu gewährleisten, aber auch im hohen maß um zu gewährleisten, dass der Benutzer plattformübergreifend das gleiche Erlebnis hat.

Vielleicht bedeutet es das wir uns über kurz oder lang vom App-Gedanken verabschieden müssen, aber es gibt derzeit keine Hinweise dafür, dass die sogenannten „native apps“ aussterben. Die Benutzer sind einfach nur selektiver geworden.

Und um ehrlich zu sein: Wann haben Sie das letzte Mal eine App heruntergeladen, die nicht von einem vertrauenswürdigen Quellen empfohlene wurde, oder die Sie im Voraus schon kannten?

 


Thomas Wittenburg

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Thomas Wittenburg

Product Marketing Specialist, digital concept developer, wannabe rockstar and great beard.